Ex nunc – die wichtigsten Erläuterungen zu einem Begriff aus dem Vertragsrecht

Wir alle schliessen im Laufe unseres Lebens unzählige Verträge ab. Bei den meisten von ihnen geschieht das unbewusst – etwa beim täglichen Einkauf. Andere Vertragsabschlüsse dagegen sind von grosser Bedeutung für unser Leben: der Abschluss eines Arbeitsvertrages beispielsweise oder der Kauf einer Immobilie. Dass man aus bereits geschlossenen Verträgen oft nur schwer herauskommt, davon können viele ein Lied singen. Doch es gibt auch gute Gründe und Möglichkeiten, fehlerhafte Vereinbarungen wieder zu lösen oder umzuwandeln. Dabei unterscheidet die Rechtsprechung verschiedene Sachverhalte. Die grundlegendsten haben wir im Folgenden für dich zusammengefasst.

Wie definiert sich der Begriff „ex nunc“ nach dem Zivilrecht?

Die Bezeichnung ex nunc leitet sich aus dem Lateinischen ab, und bedeutet so viel wie „von nun an“ oder „ab jetzt“. Sie kennzeichnet den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Vereinbarung beziehungsweise eines Vertrags. Mit der Klausel ex nunc wirkt eine Rechtshandlung „von nun an“ in die Zukunft – eine Rückwirkung ist damit ausgeschlossen. Der Begriff findet bis heute als terminus technicus – also als feststehender Fachausdruck – in der Rechtssprache seine Anwendung.

Wodurch kann dieser Terminus von anderen Regelungen abgegrenzt werden?

Im Gegensatz zu dieser Rechtslage stehen die folgenden Termini:

  • ex tunc („von Anfang an“): Ein Rechtsgeschäft wird mit Rückwirkung für einen früheren Zeitraum geändert. Damit verändert sich auch die Rechtslage für diese vergangene Zeitspanne. In der Regel kennzeichnet dies die Nichtigkeit oder Aufhebung eines Vertrags.
  • ex ante („im vorhinein“ oder „vorher“): Dieser Terminus bezeichnet einen Rechtszustand aus früherer Sicht, beziehungsweise dessen Beurteilung. Später hinzutretende Umstände finden dabei keine Berücksichtigung mehr.
  • ex post: Dies meint die Betrachtung aus nachträglicher Sicht. Hier spielen spätere Abläufe eine Rolle, die zu Beginn der Rechtshandlung noch nicht bekannt waren. Diese werden zur Beurteilung des Falles berücksichtigt.

Im Zivilrecht finden vor allem die Begriffe ex tunc und ex nunc ihre Anwendung.

Was bedeutet diese Rückwirkung – oder Aufhebung – für ein Vertragsverhältnis?

Vertragsverhältnisse können unter gegebenen Umständen aufgehoben oder beendet werden – etwa durch eine Anfechtung. Bei einer Aufhebung „ex nunc“ behalten die bis dahin bewirkten Leistungen aber ihre Rechtsgrundlage. Dies kann zum Beispiel durch eine Kündigung geschehen. Im Gegensatz dazu steht die ex-tunc-Klausel. Wo sie in Kraft tritt, müssen die bisher erbrachten Leistungen rückwirkend erstattet werden. Hier wird die Grundlage eines Vertrags rückwirkend als ungültig oder nichtig betrachtet.

Welche Rechtshandlungen können davon betroffen sein?

Grundsätzlich wirkt jede Rechtshandlung ex nunc, also von nun an für die Zukunft. In der Regel entfaltet ein Vertrag seine Wirkung ab dem Zeitpunkt, zu dem er geschlossen wird. Bestehende Sachverhalte bleiben hier unverändert. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es notwendig sein, vertragliche Vereinbarungen rückgängig zu machen oder zu widerrufen. Wenn ein Rechtsgeschäft auch rückwirkend – ex tunc – gelten soll, sieht das Zivilrecht besondere Regelungen vor. Verträge können für nichtig erklärt oder angefochten werden. Anfechtung ist möglich bei Verträgen, die

  • durch absichtliche Täuschung zustande kamen
  • unter Zwang oder Drohung geschlossen wurden
  • einen wesentlichen Irrtum als Grundlage haben
  • die missliche Situation einer Person durch Übervorteilung ausnutzten

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Worin besteht der Unterschied zwischen „ex nunc“ und „ex tunc“ in der Praxis?

Ein klassisches Beispiel für eine ex-nunc-Wirkung ist die Kündigung. Sie wirkt ab dem Zeitpunkt, ab dem der Vertragspartner von ihr Kenntnis erhält – und ab dann für die Zukunft. Das Gleiche gilt für Aufhebungsverträge. Eine Rückwirkung ist bei diesen Rechtshandlungen nicht vorgesehen und wäre auch nicht sinnvoll. Das Gegenteil davon ist bei der Anfechtung der Fall. Bei ihr ist die Rückwirkung gewünscht, das bisherige Vertragsverhältnis soll (von Anfang an) als nichtig gelten. Die rückwirkende Aufhebung muss eine Vertragspartei per Gesetz oder Vertrag ausdrücklich anordnen.

Gibt es auch Ausnahmen für diese Regelung bei Kündigung oder Anfechtung?

Bei bereits im Vollzug befindlichen Gesellschaftsverträgen führt – laut Gesellschaftsrecht – die Anfechtung zu einer ex-nunc-Wirkung. Geregelt ist dies in Artikel 643, Absatz 2, des OR. Dieser Sachverhalt kann zum Beispiel bei Formfehlern oder versteckten Dissenses eintreten. Der Vertrag wäre aus dieser Beurteilung von Anfang an – ex tunc – ungültig. Eventuelle Gesellschafter haben aber aus ihrem Gesellschaftsvermögen einen Verpflichtungsanspruch – daher tritt hier die ex-nunc-Regelung in Kraft. Ähnlich verhält es sich beim Arbeitsvertrag. Ist er durch Irrtum des Arbeitgebers zustande gekommen, kann dieser ihn anfechten. In vielen Fällen wäre eine Aufhebung aufgrund des Kündigungsschutzgesetzes ansonsten nicht möglich.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich infolge des Rücktritts aus einem Vertrag?

Ein Vertragsverhältnis kommt im Allgemeinen durch die Willensabgabe zweier Rechtssubjekte zustande – so definiert es das Gesetz. Diese sind dabei an ihre Willenserklärungen gebunden. Da Verträge aber Formfehler oder Irrtümer beinhalten können, wird den Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht eingeräumt. Wenn die Auflösung rechtlich begründet ist, kann ein Vertrag rückabgewickelt werden. Das bedeutet, dass empfangene Leistungen erstattet und Nutzungen herausgegeben werden müssen. Allerdings können auch bisher unerfüllte Ansprüche mit der Aufhebung erlöschen. Ist eine Herausgabe oder Erstattung nicht möglich, müssen an ihre Stelle Ersatzleistungen treten.

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